Elsa Gindler hat in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Entwicklung der gymnastischen Bewegung in Deutschland mit geprägt. Sie löste sich jedoch früh von formal orientierter Körpererziehung. Die Auseinandersetzung mit dem Körper im Hinblick auf die akuten Probleme des täglichen Lebens wurde immer mehr zum Ziel ihrer Arbeit. „Dass man mit der derzeit üblichen Art des Vorgehens, auch wenn man die Übungen noch so differenziert abstuft, nicht an die eigentlichen Probleme kommt, wurde mir von Jahr zu Jahr klarer“, sagte sie 1931.
In ihrem Leben und Arbeiten hat sich Elsa Gindler von Empfindungen leiten lassen. In einer schweren Krankheitssituation kam ihr die Frage, ob nicht in der Natur selbst, auch im eigenen Körper, Bedingungen zu finden wären für die Mobilisierung von Abwehrkräften – für ein Wieder-Entstehen von Ordnung, also für Regeneration. Diese Art zu fragen und zu forschen hat sie auf einen Weg gebracht, den sie nie mehr verlassen hat: Vertraut werden mit der eigenen Natur und naturgesetzlichen Lebensbedingungen auf der Erde.
In der Zusammenarbeit mit Heinrich Jacoby, die 1924 begann, wurde deutlich, dass es in allen Bereichen darum geht, sich in Beziehung zu einem ungestörten Ablauf der Lebensprozesse des Organismus zu verhalten. „Natur studieren im eigenen Körper“ - dafür versuchte sie die Menschen aufgeschlossen werden zu lassen, damit sie „sich aus der Routine heraus arbeiten und immer erneut erfahren, wie die Qualität unserer Leistungen im Leben von unserem Zustand und unserem Verhalten bestimmt ist.“ „Unser Organismus ist ein riesiges Erfahrorgan, von dessen Ungestörtheit oder Gestimmtheit die Qualität der Wahrnehmungen und Handlungen und des Denkens abhängt.“ Elsa Gindler strebte bewusste Erfahrungen an, um deutlich unterscheiden zu können, dass und wie erpresste Leistungen sich grundsätzlich von solchen unterscheiden, die auf „gestimmtem Instrument“ erspielt worden sind.
In der Zeit des Nationalsozialismus war Elsa Gindlers Einstellung im Widerstand gegen die Verbrechen des Regimes eindeutig. Viele Menschen haben in der Arbeit bei ihr die Möglichkeit gefunden, sich immer wieder Gelassenheit und Regeneration zu erarbeiten, um so auch die Jahre des Krieges dank der Hilfe durch die Arbeit besser zu überstehen, oder sich leichter in die völlig veränderten Lebensbedingungen der Emigration zu finden.
Elsa Gindler sah die Menschen eingeflochten in ihre Umgebung. Ihr Verständnis von „Ganzheitlichkeit“ stand jenseits des Widerspruchs von Theorie und Praxis. „Ich versuche, Ihnen eine Vision vom Menschen zu vermitteln, von seinen Möglichkeiten“, sagte sie. Gindlers Vision basierte auf Möglichkeiten, die allen offen stehen. Doch: „Wie wenig Menschen wissen noch, dass es einen Zustand des Dabeiseins, des wachen Aufnehmens gibt, der etwas völlig anderes ist als ‚aufpassen’ oder ‚beobachten’.“ Es war Elsa Gindlers Hauptanliegen, dass sich die Menschen, die in ihren Kursen mitarbeiteten, durch bewusste Erfahrungen und gemeinsame Auseinandersetzungen eine Basis schaffen konnten, auf deren Grundlage sie ihre Lebensaufgaben erkennen und ihnen wach begegnen konnten.
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Mit Beginn seiner ersten selbstgewählten Berufstätigkeit, — zuvor musste er auf Drängen seines Vaters eine Lehre im Metallhandel absolvieren — nämlich als Kapellmeister am Stadttheater in Straßburg unter der Operndirektion Hans Pfitzners, eröffneten sich Heinrich Jacoby 1909 grundlegende Fragestellungen seiner Forschungen, Veröffentlichungen und seiner Tätigkeiten als Leiter von Kursen:
„So kam ich schon sehr früh zu der Überzeugung, dass auch das, was man leichthin als ‚unbegabt‘ zu bezeichnen gewohnt ist, gar nicht ‚Fehlen einer Gabe‘ sein müsse, und dass etwas trotz vieler Mühe nicht zu können‘ nicht mit ‚dafür unbegabt zu sein‘ gleichgesetzt werden dürfe. Von diesen Erfahrungen her begann mich die Arbeit mit ausgesprochen schwierigen Schülern besonders zu interessieren. Und je schwieriger der Fall, desto größer und eigensinniger wurde mein Interesse, einen Weg zur positiven Lösung zu finden. Immer wieder und immer deutlicher wurde der scheinbare Mangel einer ‚Gabe‘ als durch Erziehungsfehler in der frühen Kindheit und durch unzweckmäßige und irreführende Art des Beibringens verursacht erkennbar, verständlich und damit beeinflussbar….
Meine bisherigen Erfahrungen führten mich während der nun folgenden Jahre zu systematischen Untersuchungen über die funktionellen Grundlagen der musikalischen Ausdrucksfähigkeit, über die materiellen Phänomene, durch die lebendiges Musizieren sich von unlebendigem unterscheidet und schließlich auch über die Ursachen und über die Behebbarkeit von Störungen der allgemeinen Fähigkeit, sich zu äußern, überhaupt.“
Heinrich Jacobys intensives Forschen, das sich zu Beginn auf mehr als tausend Fallstudien gründete und zu systematischen Untersuchungen vielfältiger Zusammenhänge führte, erweiterte das Spektrum. Die Musik galt ihm nun als ein Beispiel menschlicher Ausdrucksfähigkeit, das mit allen anderen Verhaltensmöglichkeiten zu ergänzen ist.
„Die bisher einzige wirkliche Förderung für die praktische Weiterentwicklung meiner Arbeit verdanke ich diesem Zusammentreffen [1923 bzw. 1925/1926] mit der Arbeitsweise von Elsa Gindler und dem gegenseitigen Austausch unserer Arbeitserfahrungen. Dadurch erst ist die heute in unseren Arbeitsgemeinschaften erreichbare Präzision und Deutlichkeit möglich geworden, mit der wir zu den während des Ausdrucks- und Verständigungsvorganges in unserem Organismus entstehenden, gesetzmäßig bedingten Zustandsänderungen und Änderungstendenzen bewusst Beziehung gewinnen können.“
Nach seiner erzwungenen Emigration setzte Heinrich Jacoby unter schwierigen Bedingungen ab 1934/1935 seine Forschungsarbeiten in Zürich als Privatgelehrter fort.
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